ÜBERSICHT RÄUME & ZEITEN GEDANKEN & DENKER MUSIK & SPIEL TUN & LASSEN SYSTEMATIK PROLOG ZUSAMMENSCHAU I. SYMPHONIE Einheit Dualität Ich II. SYMPHONIE Suchen
SEITEN VON THEODOR FREY
ÜBER GOTT WELT MENSCH
VOG
VOM OFFENEN GEHEIMNIS
ELEMENTE BEZIEHUNGEN BEWEGUNGEN GESTALTEN
Prolog DIE NULL
m Anfang liegt, was auch mich bedingt, liegt bereits was mich fragen lässt, warum ist überhaupt Etwas und nicht vielmehr Nichts. Diese Frage stellt „Alles“ in Frage, auch Zeit und Raum. Sie führt mich an die Grenze des Sagbaren. Darüber hinaus ist mein Sagen nichts, auch wenn ich es in Worte fassen möchte. An dieser Grenze trifft das Schweigen, das mir alles in Fülle zu sagen verspricht, auf mein Hören, das sich nur schweigend der Leere öffnen kann. Geschenkt wird mir aber das Hören der Frage nach dem was ist, dem „Etwas“. Meine erste Antwort ist dieses Geschenk stumm entgegenzunehmen. Das Unsagbare vom Sagbaren geschieden wird im Anfang. Aber was war vor dem Anfang? Warum überhaupt ein Anfang? Diese Fragen versuchen vermessen die Grenze zu überschreiten, doch allein, dass wir sie stellen können, zeigt die mögliche Größe unserer Art, die Großartigkeit, die uns Menschen geschenkt wurde. Aber muss nicht noch viel Größeres in dem Geheimnis liegen, das es uns ermöglicht, diese Fragen zu stellen? Seit dem Anfang wird Zeit und Raum im Sein gehalten, entfalten sich die Elemente in den Beziehungen zueinander, werden aus den Bewegungen jeden Augenblick neu die Gestalten. Auch wenn vor einem Anfang alles in sich vollkommen war, so war noch nicht das Werden des Anderen, war noch nicht die Freiheit im Geschaffenen, war noch nicht die Gestaltwerdung durch das Geschaffene. Erst das Werden bringt zur Entfaltung, was im Ruhenden immer war, bringt das Grenzenlose auch in das Erschaffene und damit auch zu uns. Werden wir mit dem Werden in Zeit und Raum in die gestaltwerdenden Möglichkeiten des Seins hinein entgrenzt und wird uns geschenkt, das Begrenzte ins Grenzenlose zu überschreiten? Werden wir aufgenommen in eine sich entfaltende Einheit. Entfaltet sich mit der Vielfalt des Seins auch das ganz „Andere“ selbst, das was schuf? Ist das Werden der Gestalt für uns so viel weiter als weit und zugleich uns so viel näher als nah, weiter und näher als wir meinen. Es ist die Zeit, wir versuchen sie zu fassen in den Zahlen. Es ist der Raum, wir versuchen ihn zu umgreifen im Maß der Symbole. Die Verbundenheit von Zeit und Raum findet sich gespiegelt in Zahlensymbolen. Mit ihnen lassen sich die Elemente des Seins bezeichnen. Ihre Beziehungen zueinander geben die Möglichkeit das Sein zu ordnen, ihre Zuordnungen in der Zeit zeigen uns die Bewegungen im Werden zu den Gestalten.
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Ist der Anfang, den wir kennen, der Einzige? Ist unser Universum das Einzige? Ist unsere Welt die Einzige? Ist die Welt überhaupt in seiner Gestalt auch nur annähert für uns zu fassen? ist alles nur ein winziger Aspekt des Unbegrenten?
Leibnitz fragte 1714 „warum es eher Etwas als Nichts gibt.“ Die Frage ergab sich aus der Annahme, dass nichts ohne zureichenden Grund geschaffen wurde, dass nichts ohne Ursache geschieht. Leibnitz sah den letzten Grund, dass die Welt da ist und so da ist, wie sie ist, in Gott. Schelling nannte diesen fundamentalen Grund „das Absolute“. Paul Natorp führte 1920/21 aus: „Darin stecken alle Wunder, das Wunder aller Wunder, daß etwas überhaupt ‘ist‘. Heidegger, der ‚kurzsichtige Tiefdenker‘, brachte das reine Nichts als Gegenmöglichkeit des Seienden ins metaphysische Spiel. Die „Hineingehaltenheit in das Nichts“ ist der angstauslösende Faktor im Da-sein. Daran schließen sich für mich die Fragen an: Ist das was ist ein gesegnetes oder ein verfluchtes Geschenk? Und wer, und wie kann es uns zum Guten gereichen?
In vier Symphonien wage ich das Experiment. Sie werden komponiert aus den 3 Grundelementen: Einheit, Dualität, Ich. Diese werden 4-fach zueinander in Beziehung gesetzt, um sich damit 12- fach zu entfalten. Die 12-fache Entfaltung wird gespiegelt in 12 Seinsbereichen, um damit in 144 Themen aufzuscheinen. Das Ganze des Sagbaren wird gehalten im Unsagbaren, symbolisiert durch die Nichtzahl „O“, die als Prolog vor den Anfang, und der Nichtzahl „Unendlich“, die als Epilog nach dem Ende gesetzt wird. Die Gestalten, die sich zeigen, werden damit eingebunden in die gestaltlose Gestalt vor und nach dem Sein. Das Ganze ist als ein Gerüst, als ein Netzwerk, zu begreifen, das auch den Sonnenzyklus mit seinem 12- fachen Rhythmus der 12 Monate, die 2 x 12 Stunden des Tages und der Nacht, wie auch die Symbolzahl für das Unendliche, 144 (12 x 12), aufgreift. Die Gestalten sind durchdrungen vom Rhythmus, der die 3 mit der 4 verbindet. Aus diesen Zahlen ergibt sich multipliziert wiederum die Zahl 12, addiert die Zahl 7. Mit der 7 wird auch der Wochenrhythmus mit 7 Tagen, der Mondzyklus mit 4 x 7 Tagen (28 =1+2+3+4+5+6+7) und der Lebensrhythmus, mit dem jeweiligen Vielfachen von 7 in die Gestalten aufgenommen. 84 (3 x 28) kann dann als Symbolzahl für ein langes Erdenleben dienen. Die Struktur des Seins auf das Unsagbare hin zusammenzufügen, seine Elemente zu verknüpfen, das Zusammenwirken und die Verbundenheit von Allem zu Allem und zum Ganzen hin sichtbar zu machen, den Einklang, gleich einer Symphonie, empfindbar zu gestalten, ungewohnte und schmerzhafte Töne und Geräusche nicht auszusparen und unser beschränktes Mitwirken und Versagen einzubeziehen, dies ist der vermessene Weg.
Alle Verbundenheiten zu erkennen ist vermessen. Wir können sie nur in einzelnen Bereiche erfassen. Dabei gilt es aber nicht aus den Augen zu verlieren, dass auch die nichterkannten Beziehungen da sind und wirken.
Die Zusammenschau zeigt 12 konzentrische Kreise, die jeweils in 12 Kreisabschnitte eingeteilt sind. Aus dem innersten Kreis (Die Null „Vor dem Anfang“) treten auf jeder Kreisebene die Zahlen hervor, wobei auf jedem der 12 Kreisabschnitte die Zahlen auf die nächste Kreisschale gehoben werden, solange, bis die 12. Ebene, der äußerste Kreis (Das Unendliche „Nach dem Ende“), erreicht wird. Hier fallen die 12 Kreisabschnitte mit den 12 Kreisschalen zusammen (12 mal 12 = 144 - Symbol des Unendlichen). Damit ist die gesamte Gestalt mit 144 Feldern eröffnet, in der sich 144 Themen entfalten können. In der Zahl 144 ist auch der Endpunkt der 12-teiligen Reihe 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144 erreicht. 1 1 Die Fibonacci-Folge ist die unendliche Folge von natürlichen Zahlen, die zweimal mit der Zahl 1 beginnt. Im Anschluss ergibt jeweils die Summe zweier aufeinanderfolgender Zahlen die unmittelbar danach folgende Zahl.
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Die Entfaltung von 0 bis
12 x12=144
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OFFENES GEHEIMNIS
RAUMZEIT
LICHT
G O T T
EINHEIT
DUALITÄT
MENSCH
WELT
WELT
EMPFINDEN
DENKEN
TUN & LASSEN
DIE ELEMENTE WERDEN IN BEZIEHUNGEN & BEWEGUNGEN ZU GESTALTEN IN DEN
KÜNSTEN
WISSENSCHAFTEN
POLITIKEN
ZUSAMMENSCHAU
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n der Einheit spiegelt sich das Bedingungslose im Erfahrbaren wider. Doch die Einheit ist stets gefährdet, nicht zu fassen. Sie war schon verloren, als sie im Anfang ins Sein geworfen worden war. Im ersten Augenblick wurde aus der Einfalt, die weder ist noch nicht ist, das „Nicht – Nichts“. Das Ewige wird, wird im Etwas. Von da an sucht das Verlorene, das Vollkommene, das sich lückenlos Ergänzende, das alle Grenzen Sprengende, das sich bedingungslos Erfüllende, wiederzufinden. Es wird das Sein gesucht, das den Raum und die Zeit nicht mehr zu beachten braucht. Die Symbole der Einheit sind die Zahl Eins, der Kreis, die Kugel. Wir wissen nicht den Anfang und das Ende des Kreises, doch wo wir den Weg auch beginnen, er führt uns immer zum Anfang zurück. Anfang und Ende sind verbunden im Kreis. Unendlich viele Kreisschalen finden in der gleichen Mitte ihren Halt. Und ist eine Kugel nur unendlich groß, so ist jeder ihrer Raumpunkte zugleich allgegenwärtiger Mittelpunkt. Die Einheit des ersten Seins bildet, mit dem Ursprung vor allem Sein, die erste entfaltete Gestalt. Wo können wir diese Gestalt der Einheit in unserem Dasein entdecken? Wo ist diese Einfalt, diese so vollkommene Form, durchlässig zu uns hin? Wo zeigt sich der Abglanz des Lichts aus dem Urgrund? Wann können wir hinein hören in die Stille des Einen? Wie können wir durchlässig werden für das Geheimnis der Einheit? Wie die Einheit verschwindet, wenn ich sie zu fassen versuche, so verliert sich auch die Zeit zwischen dem „Nicht Mehr“ und dem „Noch Nicht“. Aber im geglückten Augenblick ist die Einheit vor dem Anfang zu erahnen. Dann scheint der Mythos des Paradieses auf, dann sind wir mehr als nur Erinnerung und mehr als nur Hoffnung. In der Stille zwischen den Tönen, in der Leere zwischen den Formen, in den Träumen zwischen dem Wachen, kann die Durchlässigkeit der Grenze erfahrbar werden. Gelänge es das Dazwischen zuzulassen, sich in das Dazwischen fallen zu lassen, die Grenzen zur Einheit öffneten sich und uns könnte geschenkt werden, was längst verloren geglaubt. Erkennbar ist für uns, dass alles im Sein mit allem verbunden ist, dass im Geflecht des Seins bereits geringe Veränderungen die Richtung im Ganzen beeinflussen, dass die Wirklichkeit offen ist für unendliche Möglichkeiten.
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Von der Einheit zum Ich 1. Satz Die Einheit
I. SYMPHONIE
Johann Sebastian Bach - Kunst der Fuge „Aus zwölf Tönen . . . wird ein ganzer musikalischer Kosmos. Dabei geht es Bach nicht nur um die Einheit, sondern zugleich um die Mannigfaltigkeit im Umgang mit dem Ausgangsmaterial: Nicht nur ist Alles aus Einem gemacht; vielmehr birgt dieses Eine die Möglichkeit zu Allem.“ Ludwig van Beethoven Seine Kompositionen sollen „frei und ungebunden“ zugleich sein. Es ist das „Ringen des gottbegabten Künstlers, Gegensätze zu vereinen [CUSANUS] .“ Martin Geck - Beethoven - S. 56
Markus Gabriel schreibt in „Warum es die Welt nicht gibt“ S. 20/21), dass es falsch ist zu denken, dass alles mit allem zusammenhängt, dass es keine Regel oder Weltformel gibt, die alles beschreibt und diese auch gar nicht existieren kann. Für unser Erkennen mögen die Verbundenheiten nicht existieren, aber doch für das Geheimnis, das sich ins Sein öffnete. Im Anfang war alles Eines!
Auch wenn uns Maß und Ziel des Ganzen noch verschlossen bleiben, so zeigt uns diese werdende Gestalt der immerwährenden Einheit bereits Wegmarken, die unsere Gestaltwerdung beeinflussen. Die Gestalt der Einheit ist im Werden.
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m Dasein ist Spaltung, mit dem Licht war auch der Schatten, war Weiß und Schwarz. Die Zeit teilt. Die Einheit wird zum „Noch Nicht“ und „Nicht Mehr“. Die Eins wird weiter gezählt. Es gibt die Eins und die Zwei, das Wenn und das Dann, das Entweder - Oder das An und das Aus, das Ja und das Nein, das Werden und Vergehen. Die Einheit ist in den Raum der Möglichkeiten, in die Zeit der Notwendigkeiten, in den Rahmen der Entfaltung gelangt. Die Freiheit beginnt ihren Weg durch das Sein. Angelegt in der ersten Trennung ist schon die zweite, und in jedem der Teile sind die Möglichkeiten der eigenen Entfaltungen mitgegeben, in einem Gegeneinander, in einem Miteinander. Die in die Materie eingeschriebenen Gesetze beginnen ihre Wirkungen zu entfalten, drängen in immer neue Gestalten hinein, die stets mehr sind als nur die Summe ihrer Teile. Die Einheit wirkt in und durch ihre Entfaltungen und sucht sich immer neu zu finden. Die Dualitäten, sie gehören zum Atem, zum Puls des Seins, zum Willen zum Leben, zur Ordnung des Lebendigen. Chaos quillt hervor, aber stets auch neue Ordnungen. Ein wechselseitiges Durchdringen, in dem das Lebendige gefasst und das Gefasste lebendig bleiben kann. Ordnung und Chaos entstanden ohne uns, wie auch Chaos und Ordnung ohne uns zerfallen; aber, dass dies für uns staunend erfahrbar wird, ist das nicht Wunder genug? Leben wurde möglich, getriebenes Sein, bis sich Leben entwickelte, das selber den Trieb kennt. Passives wurde um Aktives erweitert, so dass aus der geschehenen Entfaltung, Entfaltung wurde, die mitgestaltet. Doch was ist denn aktiv, was ist denn passiv? Ich vermeine es zu wissen, doch ich beginne mit dieser Frage in mir selbst, wo die Ursprünge zum Handeln oft geheimnisvoll im Dunkeln bleiben. Dann aber kann, was für mich aktiv erscheint, durch das in der Vergangenheit oder Zukunft Verborgene, mir bereits auferlegt sein. Im Sein ist der Prozess verankert, der zwischen aktiv und passiv vermittelt, der wechselseitig stets neu erkundet, wie aus den Notwendigkeiten Möglichkeiten werden können. Doch alle Möglichkeiten sind vielfach begrenzt, werden aus den Gesetzen des Daseins nicht entlassen. Damit ist in jeder Entfaltung notwendig auch Trennung, in jedem Gewinn und Zuwachs stets auch Verlust und Mangel. Es ist ein Werden und Vergehen im Atem der geschaffenen Zeit.
2. Satz Die Dualität
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Die binäre Digitaltechnik umfasst nur zwei diskrete Signalzustände. Diese werden üblicherweise als logisch null (0) und als logisch eins (1) bezeichnet.
Polaritäten - Gegensätze
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3. Satz Das Ich
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ieviel Teilung und Entfaltung, bis der Mensch war, der sich seines Ichs bewusst wurde. Das Licht des Ursprungs fand seinen Widerschein im Element des Ichs, im Ich der Dreiheit, von Empfinden, Denken, Tun und Lassen. Eine neue Gestalt, eine neue Ordnung in der uns erkennbaren Welt, in der die Elemente der Einheit und Dualität nicht ausgelöscht, sondern gebunden wurden und sich stets neu binden. Das Ich ist geworden, ohne selbst Einfluss auf die Gesetze des Werdens zu erlangen, es ist im Dasein, ohne gefragt worden zu sein, es ist ein Ergebnis der Prozesse des Daseins, des passiven Geschehens des Seins. Doch dem Ich sind Möglichkeiten der Entfaltung zugewachsen. Es kann etwas über die Gesetze des Werdens, etwas über sich selbst, etwas über seine Beziehungen und Bewegungen in der Gestaltwerdung aussagen. Ich, weniger als ein Lächeln lang in der Zeit, im Dasein ein winziger Samen auf der Erde, ein ungleich noch viel Kleineres im denkbaren Raum, ein Nichts vor dem Geheimnis vor und nach dem Sein. Und doch ist alles was ist, doch nur in, mit und durch mein Ich Sein für mich. ICH, das Wort ist eingebunden in das Wort L ICH T. Das ICH leuchtet auf im Licht, das dem Dunkel des offenen Geheimnisses entsprang. Das „L“ symbolisiert das Leben, als Beginn, das „T“ den Tod, das Ende des raumzeitlichen Seins. Ich bin mir bewusst, dass ich bin, ich bin ich. Immer wenn ich „ich“ sage, bin ich einmalig, unvertretbar. Ich bin der Punkt, von dem aus ich meine Welt empfinde, denke und in ihr handle. Aus meiner Ichperspektive ordne ich alles, was es gibt. Ich beobachte mich als eine werdende Person, die anderen „Ichs“, die mich umgebende Welt, ich nehme meine Gedanken, meine Wünsche, meine Hoffnungen, das, was mir geschieht und was ich wirke, wahr. Ich kann aus dem Ganzen meiner Einmaligkeit heraus das sich mir öffnende Ganze bis zu den mir gesetzten Grenzen wahrnehmen. Ich nehme aber auch wahr, dass ich nur ein Tropfen im Meer, ein Staubkorn irgendwo in der Unermesslichkeit des Universums, nur eine Randerscheinung bin. Wäre etwas anders, wenn ich nicht wäre? Und doch, ohne mein unvertretbares Ich wäre die Welt eine andere. Ist das nicht ein Hinweis, dass auch Ich gewollt bin? Das Zahlensymbol des Dreiecks fügt dem geteilten Kreis ein Drittes hinzu, verlässt die Harmonie des Kreises, verliert die einfache Gegensätzlichkeit des geteilten Einen und findet sich in der Verbundenheit und Getrenntheit von Tun, Empfinden und Denken wieder. Drei Seiten, wie im Dreieck miteinander verbunden, und keine darf fehlen, keine darf dominieren, soll das Ich nicht verloren gehen.
Das farblose, alles in sich bergende Licht, es wird im Dreieck in Farben zerlegt, in das Blau des Empfindens, dem Dunkel nah, in das Rot des Tuns, dem Dasein eingefleischt, in das Gelb des Denkens, ein Widerschein des Lichts. In jeder Farbe schwingen die anderen mit, aus ihrem Zueinander, ihren Mischungen, ihrem Gegeneinander, wird das Bild des Ichs gestaltet, die Gestalt, die ich im Sehen bin. Ein Zusammenspiel, in dem sich mit dem Licht auch der Schatten zeigt, ein Zusammenklang, der mir aber auch die Gestalt der Einheit vor der Dualität erfahrbar macht. Rot, die Farbe des Tuns und Lassens, des Augenblicks, sie verlangt Entscheidungen an der Schwelle von den Erinnerungen des „Nicht - mehr“ zu den Verheißungen des „Noch - nicht“. Rot tritt heraus aus dem Blau, das dem tiefen Raum der gewordenen Empfindungen verhaftet ist. Rot nimmt das Gelb auf, das aus den weiten Räumen des werdenden Denkens entgegenkommt. Auch Töne sind durch ein dreifaches, Höhe, Stärke und Dauer und erscheinen in Dur- und Moll-Dreiklängen im Zusammenklang. Aus ihnen wird im Erklingen und Verklingen, im zu- und miteinander eine Gestalt, die sich von Augenblick zu Augenblick neu entfaltet, eine Gestalt des Seins, die ich im Hören bin. Im Ich ist Empfangen und Geben. Es ist Empfinden, das uns entgegenkommt und Empfinden, das wir, aus unserem Wollen geboren, weitergeben. Es ist Tun als unsere Gabe im Handeln und Tun, das uns geschieht. Es ist Denken als unser Nach- und Vordenken in die Gestalten unseres Seins hinein. In der Freiheit und Bedingtheit des Empfangens, in der Möglichkeit und Notwendigkeit des Gebens, ist das Ich eingebunden. Aber wo findet sich der Plan für die Zuordnung der Seiten des Ichs, wo ist der Schlüssel für den Zusammenklang der Zeichen, was ist es das die Musik des Ichs immer neu zu öffnen vermag? Wie kann das Empfinden den Einklang mit dem Denken, wie das Denken seinen Ausdruck im Tun finden? Und wie kann aufgeschlossen werden, inwieweit das Denken geprägt wird von meiner erfahrenen aktiven und passiven Leiblichkeit ? Fragen, die aus dem Gewordenen uns als Gewordene, Gestalten suchen lassen, die eingebunden bleiben in das Ganze. Es ist Suchen und Finden in den Dimensionen des geschaffenen Raumes.
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Vom Suchen zum Finden 1. Satz Suchen
II. SYMPHONIE
as Ich sucht im Geflecht von Tun, Empfinden und Denken ein Viertes, etwas, das die drei Seiten des Elements „Ich“ zu binden vermag, etwas das Orientierung gibt in einem Anderen. Kenn ich auch die Seiten des Ichs, so fehlt doch noch das, was sie zueinander binden könnte. Das Ich ist für das Ich die Mitte des Daseins, das spürt, dass die Mitte des Seins woanders ist. Diese Mitte wird gesucht im Einenden, das dem Ich den Zugang zum Urgrund und Zielgrund seiner Dreiheit erhoffen lässt. Mit dem Bewusstsein des eigenen Ichs entstanden in unzähligen Entfaltungsprozessen die Erfahrungen einer ursprünglichen Einheit. Angestoßen durch die Triebe, werden im Sehen, Hören, Spüren, Schmecken und Riechen, im Not-wendenden Tun des Daseins und im denkenden Ordnen, die Gestalten der Einheit immer neu gesucht. Und suchen wir die äußerste Nähe, so zeigt sich auch der Weg zur innersten Weite. Das Ich ahnt dann den Klang, das Wort, das Licht, die uns aus der Mitte entgegenkommen. Das Zusammenfallen des Getrennten wird uns angekündigt. Im Ich ist die Hoffnung verankert, im Strudel des Daseins nicht verloren zu gehen. Aus dieser Hoffnung werden Darstellungen in Gestik, in Bildern, in Tönen. Es werden Sprachen, als Gestalten, die wir im Denken sind, Melodien, die unserem Empfinden Ausdruck verleihen. Und auch im fortwährenden Experimentieren, im Versuch und Irrtum, in den Regeln der „Wenn - Dann“ Beziehungen, geschieht ein stetiges Ringen um die gesuchte Gestalt. In allem bilden wir das „Nicht Verfügbare“, das uns Bedingende in uns nach und geben ihm Namen, Namen, die das Unauslöschliche bannen, das Unfassbare festhalten möchten, Namen, die unsere Sprachen dafür gefunden haben. Wie soll ich es anders nennen, als mit dem Namen, der mir in meiner Sprache überliefert wurde: Gott.
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„Die Philosophie trachtet, das erlösende Wort zu finden, das ist das Wort, das uns endlich erlaubt, das zu fassen, was bis jetzt immer, ungreifbar, unser Bewußtsein belastet hat.“ Ludwig Wittgenstein
Lass' uns nun sehen, ob der Name «theos» oder «Gott» uns Unterstützung hierzu gibt. Der Name «theos» selbst ist nämlich nicht der Name Gottes, der jede Vorstellung übertrifft. Denn was nicht erfasst werden kann, bleibt unsagbar. Aussprechen heißt nämlich, eine innere Begrifflichkeit mit Vokalen oder anderen figurhaften Zeichen nach außen hin auszudrücken. Wenn also von etwas keine Ähnlichkeit erfasst wird, bleibt auch der Name unbekannt. «Theos» ist also der Name Gottes nur insofern, als er vom Menschen in dieser Welt gesucht wird. Der Gott Suchende soll folglich aufmerksam betrachten, auf welche Weise in dem Namen «theos» ein bestimmter Weg des Suchens eingefaltet wird, auf dem Gott so gefunden wird, dass er berührt werden kann. «Theos» hängt etymologisch mit «theoro» zusammen, was «ich sehe» und «ich laufe» bedeutet. Der Suchende muss also mittels des Sehens laufen, damit er zum alle Dinge sehenden «theos» gelangen kann. Demnach trägt die Schau eine Ähnlichkeit mit einem Weg in sich, den der Suchende zu wandeln hat. Wir müssen folglich die Natur der sinnlichen Schau auch auf das Auge der vernunfthaften Schau ausdehnen und aus dieser eine Stufenleiter für den Aufstieg hervorbringen. Nikolaus von Kues - Vom Gottsuchen - fol.197
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2. Satz Spaltung
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ir erfahren in uns die Spaltung, den Verlust der Einheit, das Ja und das Nein. Es begegnet uns das immer Doppelgesichtige im Sein in allem was ist und was wir sind. Im Ich ist das ungefragte Ja zum Leben, das erste Einatmen. Jedes Ja wird aber immer erst wieder lebendig durch ein Nein, das Ausatmen. Der Ur-Zyklus wird auch in uns geschlossen. Doch jedes neue Ja gleicht nicht dem Vergangenen, denn es kennt das Nein, den Tod. Jedes Ja und Nein, das von einer der Seiten des Ichs ausgeht, wird von den Ja und Nein Entscheidungen der anderen Seiten mit bedingt. Erst im Erfahren dieser Zusammenhängekönnen wir uns als Einheit empfinden. Doch was wir als Ursache, was wir als Wirkung meinen zu kennen, ist immer abhängig von der Zufälligkeit des Beginns unseres Suchens. Wir suchen nach der Wahrheit, den wahren Zusammenhängen, der Gestalt, die alles mit aufnimmt; aber in unserer Verzweiflung, das Wahre zu verfehlen, finden wir oft nur Gründe, mit denen wir meinen unsere erlebte Vergangenheit und unsere erhoffte Zukunft im Jetzt rechtfertigen zu können. Zwar verlieren wir uns immer wieder beim Versuch uns zu finden, doch jedes Verlieren gibt schon den Anstoß zu neuem Finden, zum Finden einer veränderten Gestalt. Mit jedem Tun können die Seitendes Empfindens und Denkens beschädigt werden; aber auch in jedem Nicht- Tun kann Empfinden verloren gehen. Im Nicht-Empfinden kann Denken entschwinden, wie mit jedem Denken auch Tun versäumt werden kann. Im Leben ist der Tod stets gegenwärtig. Es ist die Frage nach seinem Sinn, seinem Wann, Warum, Wozu und Wohin, die uns drängt unserem Leben Gestalt zu geben. Tod und Leben, sind aufeinander bezogen im Ich. Wie ist zu fassen, was im Prozeß des Lebens und Sterbens uns Halt geben kann, wie zu fassen, was uns hoffen läßt, das jeder Tod immer wieder nur ein Vorletztes ist? Wir sind in der Zeit des Ichs verloren in den Tod hinein, in der Zeit des Seins lebendig im Werden des Gestalt, aber erst im Sein ohne Zeit, Tod und Leben verlierend, werden wir erfüllt in das Unermessliche hinein. Leid und Freude ist im Atem dieser „Tod – bewussten“ Zeit.
Schönheit, ist das „uninteressierte Wohlgefallen“. (Kant) Es ist ein Luxus seine Interessen auszublenden, um das Schöne zu finden. „Auch Schönheit der Natur, d. i. ihre Zusammenstimmung mit dem freien Spiele unserer Erkenntnisvermögen in der Auffassung und Beurteilung ihrer Erscheinung, kann auf die Art als objektive Zweckmäßigkeit der Natur in ihrem Ganzen, als System, worin der Mensch ein Glied ist, betrachtet werden; wenn einmal die teleologische Beurteilung derselben durch die Naturzwecke, welche uns die organisierten Wesen an die Hand geben, zu der Idee eines großen Systems der Zwecke der Natur uns berechtigt hat. Wir können es als eine Gunst , die die Natur für uns gehabt hat, betrachten, daß sie über das Nützliche noch Schönheit und Reize so reichlich austeilete, und sie deshalb lieben, so wie ihrer Unermeßlichkeit wegen, mit Achtung betrachten, und uns selbst in dieser Betrachtung veredelt fühlen: gerade als ob die Natur ganz eigentlich in dieser Absicht ihre herrliche Bühne aufgeschlagen und ausgeschmückt habe.“ Kant - Kritik der Urteilskraft - Kapitel 77 Das Angenehme, das Schöne, das Gute bezeichnen also drei verschiedene Verhältnisse der Vorstellungen zum Gefühl der Lust und Unlust, in Beziehung auf welches wir Gegenstände, oder Vorstellungsarten, voneinander unterscheiden. Auch sind die jedem angemessenen Ausdrücke, womit man die Komplazenz in denselben bezeichnet, nicht einerlei. Angenehm heißt jemandem das, was ihn vergnügt; schön, was ihm bloß gefällt; gut, was geschätzt, gebilligt, d. i. worin von ihm ein objektiver Wert gesetzt wird. Annehmlichkeit gilt auch für vernunftlose Tiere; Schönheit nur für Menschen d. i. tierische, aber doch vernünftige Wesen, aber auch nicht bloß als solche (z. B. Geister), sondern zugleich als tierische; das Gute aber für jedes vernünftige Wesen überhaupt. Ein Satz, der nur in der Folge seine vollständige Rechtfertigung und Erklärung bekommen kann. Man kann sagen: daß unter allen diesen drei Arten des Wohlgefallens, das des Geschmacks am Schönen einzig und allein ein uninteressiertes und freies Wohlgefallen sei; denn kein Interesse, weder das der Sinne, noch das der Vernunft, zwingt den Beifall ab. Daher könnte man von dem Wohlgefallen sagen: es beziehe sich in den drei genannten Fällen auf Neigung, oder Gunst, oder Achtung. Denn Gunst ist das einzige freie Wohlgefallen. Ein Gegenstand der Neigung, und einer, welcher durch ein Vernunftgesetz uns zum Begehren auferlegt wird, lassen uns keine Freiheit, uns selbst irgend woraus einen Gegenstand der Lust zu machen. Alles Interesse setzt Bedürfnis voraus, oder bringt eines hervor; und, als Bestimmungsgrund des Beifalls, läßt es das Urteil über den Gegenstand nicht mehr frei sein. Was das Interesse der Neigung beim Angenehmen betrifft, so sagt jedermann: Hunger ist der beste Koch, und Leuten von gesundem Appetit schmeckt alles, was nur eßbar ist; mithin beweiset ein solches Wohlgefallen keine Wahl nach Geschmack. Nur wenn das Bedürfnis befriedigt ist, kann man unterscheiden, wer unter vielen Geschmack habe, oder nicht. Ebenso gibt es Sitten (Konduite) ohne Tugend, Höflichkeit ohne Wohlwollen, Anständigkeit ohne Ehrbarkeit usw. Denn wo das sittliche Gesetz spricht, da gibt es, objektiv, weiter keine freie Wahl in Ansehung dessen, was zu tun sei; und Geschmack in seiner Aufführung (oder in Beurteilung anderer ihrer) zeigen, ist etwas ganz anderes, als seine moralische Denkungsart äußern: denn diese enthält ein Gebot und bringt ein Bedürfnis hervor, da hingegen der sittliche Geschmack mit den Gegenständen des Wohlgefallens nur spielt, ohne sich an einen zu hängen. Kant - Kritik der Urteilskraft - Kapitel 13
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3. Satz Finden
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m Du erfahre ich, dass mich das Sein angeht, dass es sich an mich richtet, dass ich verletzbar und beglückbar bin. Das Du schenkt sich, gibt sich hin, berührt und durchdringt damit auch meine Seiten des Ichs. Im Du werde ich angesprochen, wird die Dreiheit meines Ichs Sechsfach durchbrochen. Die Beziehungen von Ich und Du verdoppeln die Dreiheit zur sechseckigen Gestalt. Die Farben, die Töne des Ichs mischen und verbinden sich, das Klangbild des Lebens entsteht. Die Symphonie erklingt im miteinander. Violett, in dem sich Blau und Rot durchdringen, gibt dem Empfinden ein Wollen, damit daraus die Tat entsteht, wie auch aus dem Tun das Empfinden immer wieder neue Anstöße erfährt. Grün blüht auf aus dem Blau des Empfindens und wird zusammenmit dem Gelb des lichten Denkens zur Hoffnung, dass sich Sinn zeigen kann in immer neuem Werden. Verschränken sich Tun und Lassen mit dem in erfüllter Leere sich selbst vergessenden Denkens, wird Orange, die Symbolfarbe, die auszudrücken vermag, wie eng Körper und Geistaufeinander angewiesen sind. Die verdoppelte Dreiheit, sie bindet die Seiten des Ichs enger aneinander und näher zur Mitte hin. In ihrer Farbigkeit erscheint die Sehnsucht nach der heilenden Einheit von Körper, Seele und Geist. In diesem Miteinander kann das Ich den Weg finden, der den Verlust der Einheit für Augenblicke in Lust vergessen macht. So wird in der Vereinigung von Ich und Du das Werden im Sein bezeugt, und in der Verschmelzung von Ich und Du neues Leben, neues Werden gezeugt. Im anderen Ich begegne ich mir selbst, im Du erfahre Ich das Andere, wie auch das mir Gleiche. Erst in dieser unablässigen Erfahrung der Begegnung wird der Mensch zur Person und die Menschen zur Gattung. Erst im Du finde ich mich, erhalte ich durch den Ruf des Du meinen Namen. Finde ich mich im Du, entsteht eine Gestalt, die mehr ist als nur die Zuordnung der Elemente. Vom Du her wird mir der Sinn im Dasein eröffnet. Im sechseckigen Stern blinkt das Licht des Ursprungs.
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Vom Licht zur Antwort im Menschsein 1. Satz Heilendes Licht
III. SYMPHONIE
ie Mitte ist unverrückbar, doch wo sie zu finden ist, kann von den Seiten des Ichs allein nicht erkannt werden. Gehe ich nur von einer Seite aus, werde ich in die Irre geleitet, gehe ich alleine, fehlen mir die Kräfte für den Weg. Du und Ich, Wir, suchen nach dem Empfinden, das uns aus der Mitte entgegenkommt, dem Handeln in Gelassenheit, das die Bewegung zur Mitte anstößt, dem Denken, das den Weg zur Mitte zeigt. Wir erfahren die Vielfarbigkeit des Daseins und ahnen, dass sich bereits im gebrochenen Licht unseres Daseins, ein strahlendes, wärmendes, heilendes Licht zeigen kann. Menschen haben aus der gesuchten und gefundenen Mitte ihrer Dreiheit heraus, dieses Licht geoffenbart. Sie geben uns Maß. Durch sie ist Licht ins Dasein gekommen. In ihnen leuchtet das Licht. Von ihnen strahlt das Licht aus. Mit ihnen werden wir in das Licht hineingenommen, das die Nacht unseres Todes erhellt. Brennender, Erleuchteter, Licht vom Lichte, Lichtkünder. Gottessohn vor und nach der Zeit, Menschensohn in der Zeit, Offenbarer im Geist durch die Zeiten hindurch! Wenn ein Du mich anspricht, mich annimmt wie ich zu sein vermag, wird es heller, ein heilendes Licht kommt mir entgegen. Ich und Du finden uns dann in einer Gestalt, die vom Licht aus der Mitte erhellt wird. Die Seiten des Ichs drehen sich um die Achse der Mitte. Außen als besinnungsloses, rasendes Drehen, Innen als Schweben in gedehnter Zeit, im Innersten als zeitlose Ruhe, die alle Unruhe hält. Gottsucher sind wir aus unserem dreifachen Menschsein heraus geworden; aus dem Empfinden, dass wir nicht aus uns selbst geworden sind, aus dem Handeln im Dasein, das uns Freiheit schenkt und Verantwortung fordert, aus unserem Denken, das immer wieder in Grenzen festhalten will, was sich erst im Loslassen entfalten kann.
Die Dreiheit des Ichs zieht das Unsagbare unablässig zum Sagbaren herab, entfaltet damit Gott als Einheit, als Vielheit, als Vater, Sohn und Geist in unserer Welt. Das Kostbare wird im Gefäß des Sagbaren gesammelt. Ohne die Gefäße, die wir uns formen, zerfließt sein Inhalt, aber ohne es immer wieder auch neu zu füllen, vertrocknet das Kostbare bis auch das Gefäß erstarrt, zerspringt. Im Wechsel von Nachfüllen und reifen lassen, wird der Glaube lebendig bleiben. So wird jeder Augenblick zum Experiment eines immer neuen Scheiterns aber auch zur Hoffnung eines immer neuen Gelingens. Wir suchen das Rettende im wahren Denken, im empfundenen Schönen, im Tun des Guten und können es nur finden im Zusammenklang der Seiten des Ichs, im Suchen des „Dazwischen“ der Seiten, im stetigen Wechsel von einer Seite zur anderen. Wir können die Zwischenräume für die Beziehungen, die im Geheimnis des Seins verborgen sind und doch unser Dasein umfangen, öffnen und nennen dies Beten. Damit versuchen wir immer wieder auf das Innerste im Innen, auf das Äußerste im Außen, auf das Schweigen und Lachen an den Grenzen des Seins zu hören.
Die Herrlichkeit als die Totalität der Schönheit, die Erhabenheit im begegnenden Schönen, „rührt nur daher, daß die Kategorien von Rhythmus, Polarität, Fügung des scheinbar Ungefügten, Ungefügen sich für die Totalität nur noch ahnungsweise anwenden lassen, wo sie im Teilstück (etwa in einer Symphonie) überblickbar, überhörbar sind.“ Hans Urs von Balthasar - Herrlichkeit - Band III,I - S. 944
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2.Satz Entzweiung
n das heilende Licht der pulsierenden Hoffnung schleicht sich das Schwarz des Zweifels. Liebe - Gott, zwei missbrauchte Begriffe, verschmutzt im Dunkel der Zeiten. Schwarz verdreckt leuchtendes Rot. Tod ist allem Tun, aber auch allem untätigen Geschehenlassen eingefleischt. Schwarz zerstört leuchtendes Gelb. Gedanken werden zerfressen von Hass und Neid. Schwarz verdunkelt leuchtendes Blau. Hasserfülltes Wollen schleicht aus dem Gefängnis der Empfindungen. Das verlorene Geheimnis wird durch monströse Prothesen ersetzt, es wird vergewaltigt und verraten. Ist der gute, der rettende Gott selber noch zu retten? Regiert uns Liebe oder Hass? Ist das Böse, das Grauen, der Wahn-Sinn nur dem Menschen anzulasten? Oder kommen wir sogar aus den Händen böser Mächte, verflucht uns Gott? Bilden wir Gott nach, nach unserem beschränkten Sein? Wird er durch uns zu einem unheilvollen, übergroßen Du, zu unserem übermächtigen oder machtlosen Spiegelbild, Angst schaffend durch seine strafende Macht, verlacht und verspottet in seiner sinnlosen Ohnmacht. Es ist dieser von uns gemachter Gott, der Gott unserer Kurzsichtigkeit, der zu allem missbraucht werden kann. Dieser von uns Geschaffene lässt alles zu, was wir in unserer Beschränktheit wollen. Dieser Gott wird zu allem benutzt, zur Vergottung des Nutzens und der Lust. Dieser Gott, aus Angst und Ignoranz von uns geschaffen, lähmt uns, er tötet uns. Die Dualitäten, die Trennungen sind sein Ursprung. Ist Gott also tot? Und wer ist schuld an seinem Tod? Wir, die wir aus unserer Unmündigkeit nur nach uns selber rufen, nur uns selber träumen, nur uns selber schaffen? Wir, die wir in unserer Beschränktheit einen winzigen Teil für das Ganze und Wichtigste halten? Wir, die wir die Suche abbrechen, bevor das Licht die Nacht erhellen kann? Wer tötet? Ist es unser in Freiheit verirrter Wahn? Aber unser Schreien, nach dem Warum des unschuldigen Leidens im Atem der schuldbeladenen Zeit, es verhallt ungehört im Schwarz des Nichts. Du, Bild des offenen Geheimnisses, wir klagen an: Wo warst Du, Gott allmächtiger, Du Gott der Liebe, an all den Orten des Grauens, der Vernichtung, in . . . Auschwitz . . . in . . . in . . . in . . . Wolltest, willst Du nicht eingreifen, oder kannst du es nicht? Sind wir ohne Hoffnung, von dir losgelöst, gekettet an uns selber? Wir fragen dich: Du bist doch in allem, Du wirst doch auch durch unsere Taten und Untaten, Du bist doch im Leid gegenwärtig, DeinWerden geschieht doch auch durch, mit und in dieses unbeschreibliche Leid? Es ist doch dein Werden, dem dies alles geschieht? Wie kannst Du dies vor deiner Liebe zu deiner Schöpfung verantworten? Wir können wir glauben, wie wir auch in unseren Leiden mit Dir zu einer Gestalt werden? Bleiben die Antworten auf diese Fragen im offenen Geheimnis für immer verschlossen?
Die Folgen des Getanen kann ich nicht abwälzen, sondern nur gestalten und verwandeln "Aber ich bleibe auf dem Wege und bin nicht im Besitz [der Wahrhaftigkeit]. Statt der Identität meiner mit mir selbst kann eine Trennung von mir einsetzen. Was ich in einer Tat, in einer Lebenspraxis war, das will ich nicht sein. Zwar muß ich sie übernehmen, aber ich vollziehe die Trennung in einer Umkehr meiner selbst. Geschieht das im Ernst, dann muß ich doch leben mit etwas, das ich nie mehr loswerden kann. Ich bin ein Anderer als zu Anfang. Die Umkehr gründet ein Leben, das übernehmen muß, was mir fremd geworden ist und doch zu mir gehört. Die Umkehr ist wahr mit dem neuen Blick, der neuen Urteilskraft, durch die geschieht, was die Umkehr bezeugt. Das Gewesene wird trotz Wiedergeburt übernommen, nicht abgestoßen, als ob es nicht gewesen sei. Ich bin nicht befreit in einem absoluten Sinn (solche Befreiung ist weder durch eigenen Entschluß noch durch Gnade möglich). Vielmehr trage ich die Folgen des Getanen und Gelebten, die ich nicht abwälzen, sondern nur sehen, mit meinen Möglichkeiten gestalten und verwandeln kann." Karl Jaspers in "Der philosophische Glaube angesichts der Offenbarung", S. 173
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3.Satz Menschheit
eschenktes und gefundenes Wissen um das werdende Sein, sagt mir im Gewissen, das was sein soll. Sich vom Geheimnis, das sich so vielfältig zu uns öffnet, ansprechen lassen, es anzunehmen, es zu erkunden, gibt mir den Halt, auch den Nächsten, wie auch mein eigenes Ich mit all seinen Seiten anzunehmen. Unter die Herrschaft von Zeit und Raum gestellt, im Freiheitsraum der Möglichkeiten, suchen wir beständig nach Antworten auf das Seinsollende. Finden können wir es dann, wenn wir uns auf die Mitte zubewegen und uns nicht in der Hybris der Maßlosigkeit verlieren? Es ist ein mühsamer, unaufhörlicher Dialog, der vom dreifaltigen Licht des Einen im dreifachen Ichsein jedes Menschen entzündet wird. Ein unendlicher Dialog, der seinen Sinn erst entfalten kann, wenn er im Aufleuchten wieder auf die Einheit zurückstrahlt. Die Fülle aller Farben wird in der Menschheit in allen Mischungen entfaltet, mit allen Aufhellungen im Weiß, mit allen Schattierungen im Schwarz. Die Menschheit zeigt sich in einer unerschöpflichen Vielfalt, einer Vielfalt, die im Einzelnen uns gefangen nimmt , uns aber in der Zusammenschau überfordert. Daraus wird ein stets Wissen und Nichtwissen um das was ist, ein Empfinden und Nichtempfinden zu dem was ich bin, ein Tun und Lassen für das ,was sein soll. Es ist das Richtig und Falsch, das Schön und Häßlich, das Gut und Bös. Es ist in allen Wissenschaften, allen Künsten und allen Politiken zu finden. Wir suchen, begrenzt durch die Bindungen im Dasein, nach den Möglichkeiten, die Sinn geben können, für das Ich, das Ich mit dem Du, für das Wir, Sinn für das was war, Sinn für das was sein soll. Aus unseren engen Grenzen kriecht die Angst den Sinn zu verfehlen, die verzweifelt Erkenntnis des Ungenügens. Aber gerade diese Begrenzungen und unsere Ängste vor dem Versagen, die Urangst vor dem Tod, stoßen Erkenntnisse, Änderungen, Neuerungen immer wieder an. Gerade im Mitempfinden der Ängste des Anderen, der Anderen, zeigen sich Wege unser Ich zu entgrenzen , um dann gemeinsam Sinnwege gehen zu können. Die Neun ist die Symbolzahl für das Suchen der Antworten im Alltag, Antworten, die im Hier und Jetzt gegeben werden sollten, um im Blick auf das Gewordene und Kommende, in der Hoffnung einer werdenden Gestalt Fülle zu verleihen. Die Antworten werden gesucht im Licht der Vernunft, das die Seiten des Ichs aneinander bindet und im Gedächtnis des Seins bewahrt. In diesem Miteinander finden die Dreiecke die Gestalten von Pyramiden oder sich vielfach durchdringender Dreiecke. Es werden Zeichen zu Bildern, Töne zu Symphonien, es werden Regeln zu Ordnungen, Gedanken zu Systemen, und in allem wird unser Dasein und mit ihm unser Sein gestaltet. Aber es bleibt die Frage offen, wo ist das Maß zu finden, das Maß für das was sein soll ?
Die Klugheit, als erste unter den übrigen gleichrangigen Tugenden „gebiert alle sittliche Tugend überhaupt.“ Die Verwirklichung des Guten setzt das Wissen um die Wirklichkeit voraus. Das Gute ist das Wirklichkeitsgemäße. „Wissen“ darf aber nicht verengt werden zu szientistischem Erfahrungswissen. In der Klugheit wird die sachliche Erkenntnis der Wirklichkeit maßgebend für das Wollen und Tun. Der Moralismus sagt: das Gute ist das Gesollte, weil es gesollt ist. Die Lehre von der Klugheit sagt: das Gute ist das Wirklichkeitsgemäße; es ist gesollt, weil es der Wirklichkeit entspricht. Weise ist der Mensch, wenn ihm alle Dinge so schmecken, wie sie wirklich sind. Der Mensch, der nur sich selber schmeckt, weil er nur auf sich selber hinblickt, hat die Möglichkeit der Gerechtigkeit und auch die seelische Gesundheit verloren.
Wissen und Ge-Wissen stehen in einem engen Zusammenhang.
Josef Pieper - Über das christliche Menschenbild - S. 23-29
Was wir denken wird nicht verloren sein, wenn es in der Mitte gehalten wird. Was wir tun und lassen wird sein, wenn es zur Mitte führt. Was wir empfinden wird weiterwirken, wenn es von der Mitte gespeist wird. Die Wege zur Mitte werden für jeden von uns andere sein, schon deshalb, da bereits der Beginn des Suchens, der Beginn des Weges, für jeden woanders liegt. Aber der Sog zur Mitte ist für jeden von uns der Gleiche, da die entfaltete Gestalt nur eine Mitte kennt. Deshalb habe Ehrfurcht vor dem Leben in seiner ganzen Fülle und achte die unterschiedlichen Wege, die bisher in der Menschheit gegangen worden sind. Denn welche Schuld liegt im Zerstören von dem, was die Fülle des Seins noch zu weiten vermag. Erfahre dich als ein Gewordener, der für sein so sein, immer wieder nach Gründen zu seiner Rechtfertigung sucht. Denn welche Schuld liegt in der Unwahrhaftigkeit, die die Fülle des Seins verengt. Besinne dich, daß in dein Urteilen und Entscheiden, immer auch deine Ängste und Hoffnungen eingehen. Denn welche Schuld liegt darin, die Wege der Anderen mit Vorurteilen zuzuschütten. Bedenke, daß jedes Verletzen und verletzt werden den Weg verdunkelt, daß jede erfahrene und geschenkte Zuneigung aber Wegzeichen geben. Denn welche Schuld liegt darin, Andere in finsteren Nacht auf den Weg zu schicken. Besinne dich auf das, was all deine Seiten wirklich bedürfen, um sich gegenseitig befruchten zu können. Erkenne, daß der abgewogene Verzicht bei einer Seite deines Ichs, den anderen Seiten an Fülle zuwachsen kann. Setze dich dafür ein, den Schwächeren Möglichkeiten zu eröffnen, um ihre Ängste mit Hoffnungen zu vertreiben. Denn welche Schuld liegt darin, daß auch durch dich, Möglichkeiten des Seins zerstört werden. Beziehe die Möglichkeiten des Zukünftigen in dein Handeln ein. Wäge die Folgen ab und verzichte im Zweifel. Denn welche Schuld liegt im Tun, daß die Folgen nicht zu bändigen vermag. Bin bereit zu widerstehen, wenn du in wissender und gewissenhafter Prüfung überzeugt bist, daß du in Ordnungen eingebunden wirst, die dem Dasein die Fülle berauben. Spüre, deine Verantwortung für die Freiheit des Anderen. Denn welche Schuld liegt darin, geschehen zu lassen, daß in der Unterdrückung, das Werden des Seins geknechtet wird. Erkenne, dass alles im Teil Richtige, im Ganzen doch die Richtung verfehlen kann. Wisse um die Fülle von Wahrheiten in jedem Du, doch vergiss nicht, diese im Dialog an das Geheimnis der Mitte zu binden. Sei im offenen Geheimnis und sei es mit den Anderen und dann erst sei Jude, Buddhist, Christ, Muslim . . . Löse dich von deinen Bildern, die das Geheimnis festhalten möchten. Denn welche Schuld liegt darin, wenn aus den Bildern Waffen geschmiedet werden. Suche das rechte Reden und Schweigen vor dem Geheimnis, das uns immer mehr sagt, als wir es für möglich halten. Suche in der dir geschenkten Freiheit nach Antworten in den Möglichkeitsräumen, nach dem, das uns in den Verschiedenheiten die Einheit öffnet. Suche nach den Beziehungen und Bewegungen im Sein, die wir, in der umfassenden Gestalt des offenen Geheimnisses, als die große Liebe erfahren dürfen. In all diesem Sollen kreuzt sich das vergangene Werden mit der entgegenkommenden Fülle. So ändert sich In jedem Augenblick das Sollen, da sich auch das Sein stets verändert, aber es bleibt stets auch gleich in seiner Orientierung am immer Gleichen des uns Entgegen-kommenden. Unser Sein ist Dazwischen-Sein, nie im Ganzen verlassen, nie im Ganzen daheim. Erst wenn die Zeit beginnt das Sein zu verlassen, kann sich der Sinn als Ganzes zeigen, die Fülle seiner ganzen Gestalt. Bin bereit zu widerstehen, wenn du in wissender und gewissenhafter Prüfung überzeugt bist, daß du in Ordnungen eingebunden wirst, die dem Dasein die Fülle berauben. Spüre, deine Verantwortung für die Freiheit des Anderen. Denn welche Schuld liegt darin, geschehen zu lassen, daß in der Unterdrückung, das Werden des Seins geknechtet wird.
Erkenne, dass alles im Teil Richtige, im Ganzen doch die Richtung verfehlen kann. Wisse um die Fülle von Wahrheiten in jedem Du, doch vergiss nicht, diese im Dialog an das Geheimnis der Mitte zu binden. Sei im offenen Geheimnis und sei es mit den Anderen und dann erst sei Jude, Buddhist, Christ, Muslim . . . Löse dich von deinen Bildern, die das Geheimnis festhalten möchten. Denn welche Schuld liegt darin, wenn aus den Bildern Waffen geschmiedet werden. Suche das rechte Reden und Schweigen vor dem Geheimnis, das uns immer mehr sagt, als wir es für möglich halten. Suche in der dir geschenkten Freiheit nach Antworten in den Möglichkeitsräumen, nach dem, das uns in den Verschiedenheiten die Einheit öffnet. Suche nach den Beziehungen und Bewegungen im Sein, die wir, in der umfassenden Gestalt des offenen Geheimnisses, als die große Liebe erfahren dürfen. In all diesem Sollen kreuzt sich das vergangene Werden mit der entgegenkommenden Fülle. So ändert sich In jedem Augenblick das Sollen, da sich auch das Sein stets verändert, aber es bleibt stets auch gleich in seiner Orientierung am immer Gleichen des uns Entgegen-kommenden. Unser Sein ist Dazwischen-Sein, nie im Ganzen verlassen, nie im Ganzen daheim. Erst wenn die Zeit beginnt das Sein zu verlassen, kann sich der Sinn als Ganzes zeigen, die Fülle seiner ganzen Gestalt.
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Von der Erlösung zur Fülle des Seins 1. Satz Erlösung
IV. SYMPHONIE
as Sein bleibt im Werden immer offen, ereignet sich immer neu, wächst auch in unser Ich hinein, und findet darin die Laute und Töne für seine Symphonie. Aus dem Gefundenen meinen wir das Mögliche zu wissen, aber die Möglichkeiten, die der Gestalt die ganze Fülle erst verleihen, sind für uns unvorhersehbar, nur als ein Hauch ahnbar. So bleibt aber immer die Hoffnung auf Lösung unseres Seins, allen Seins, aus seinen Dualitäten in ein Anderes hinein, ein Öffnen zum Geheimnis hin, ein Werden des Anderen, auch durch uns. Alles Mögliche wird im Werden der Gestalt das Wirkliche. Wird die Eins (die Einheit), mit der Zwei (der Dualität), der Drei (dem Ich) und der Vier (dem Ich, das die Mitte sucht) zusammen gezählt, ergibt sich die Symbolzahl Zehn. Im Tod verliert unsere Dreiheit des Ichs den Bezug zum Sein in Raum und Zeit, aber das im Seinsbezug Gewordene und Gewonnene bleibt solange in den Möglichkeiten des Daseins gebunden, bis es endgültig im Geheimnis ankommt und mit ihm die letzte Wirklichkeit bildet. Alle Versuche, das Trennende bereits im Dasein zu binden und zu umgreifen, geben uns, trotz aller Zweifel, einen ersten Halt, geben uns Beständigkeit und Bestätigung im Werden. Das Ich kann sich mit dem Du loslösen aus dem betäubenden Drehen in der Zeit, um der Klarheit der Mitte entgegen zu fallen. Hier geschieht bereits ein Ent-werden in weitendes Sein. Und sind wir auch nur eine winzige Episode, so wäre doch alles Sein ein Anderes ohne die geschenkte Freiheit, die wir selbst verwirklichen. Unser aller Wollen, Sollen, Tun und Lassen ist im Sein verankert, nimmt Anteil an der Entfaltung zur Fülle, gestaltet mit.
Im Tod lösen sich die Seiten des Ichs, um sich im Glanz von Silber und Gold, in einer Zusammenschau einzulösen. Dies wird mir geschehen, wenn dafür in meinem Hoffen, Wollen und Tun Verbindungen geknüpft wurden, die die Kraft enthielten dem Sein etwas Bleibendes zu schenken. Aber erst, wenn Raum und Zeit das Sein verlassen, erfährt unsere Freiheit ihr letztes Wozu, erst dann vereinigen sich Liebe und Gerechtigkeit und bringen sich der Wahrheit dar. Aber allein aus uns selbst ist letztendlich keine Lösung aus dem Sein möglich. Ich, wir und alles bedarf der Loslösung in ein Anderes durch Erlösung. Unser Dasein gewinnt eine letzte Fülle, missbrauchte Worte gewinnen ihren vollen Klang. Hier hebt der Jubel an. Die Farben glänzen auf zum Entschwinden in der Zeit, die kalten Schatten lösen sich im Glanz des heilenden Lichts. Diese Lösung aus dem Sein in das Geheimnis hinein, sie geschieht überall im ganzen Universum, in ungeahnten Formen, in unsagbaren Weisen, in unausdenkbaren Wesen. Im Zusammenklang erfüllt sich in der Erlösung das in den Stunden und Orten des Daseins Gewirkte in einer unsagbaren Gestalt.
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2. Satz Gericht
m Atem der erschöpften Zeit wird das Sein zur Fülle des Einen entgrenzt oder zum Nichts des Vielen verengt. Ein letztes Werden hin zur Erlösung oder zur Verdammnis. Ein letztes Wort an das geschenkte Sein, dem das Sein nur wortlos mit letzter Hingabe zu antworten vermag. Das Wort des Anfangs wird im Ende erfüllt im Licht der Gestalt des einen Ganzen. Das Geheimnis des Lebens, des Weges und der Wahrheit wird geöffnet. Im Gericht erfahren wir, das in der geschenkten Freiheit Verlorene, das im geforderten Sollen Zerstörte. Wir schauen das von uns Zurückgeschenkte, Geglückte,vom Geheimnis angenommene. Alles Erfahrene, Gedachte, Getane holt uns ein. Wer scheidet, wer richtet? Werden wir gerichtet? Richten wir uns selbst? Richten wir uns selbs tin das Geheimnis hinein, das bis Zuletzt grenzenlos offen ist für alles Gewordene? Verlieren wir uns selbst, mit dem, was durch uns im Werden verloren wurde? Werden wir zusammen mit dem Raum und der Zeit dann endgültig ins Nichts des ewigen Dunkels geworfen oder erhellt in einem neuen Werden und in diesem Werden dem zeitlos Gleichen gleich? Aller Schatten wird zum Nichts,wir erblinden, doch alles Licht wird im reinen, ewigen Licht der vollendeten Einheit aufgefangen, wir schauen. Das Sein zwischen „Noch-Nicht“ und „Nicht-Mehr“ wird zum Augenblick der Ewigkeit. Der Name, mit dem wir gerufen wurden, wird bewahrt im Innersten des offenen Geheimnisses; dies bleibt uns im Sein als letztes Hoffen, als letzte Gnade, als letzte Gabe. Hier stockt der Atem der Zeit. Hier ist Geber und Gabe eins, Tiefe und Höhe eins, Innen und Außen eins. Und doch sind alle Dualitäten nicht verloren sondern eingewoben in das geöffnete Geheimnis. Die Bewegung aus dem Ursprung wird durch den Endsprung in die Zeit- und Raumlosigkeit vollendet. Das All wird entbunden und in das Geheimnis des gewandelten Ewigen eingebunden durch die Gnade der Trinität. Es ist ein Erhellen und Einklingen in die Wahrheit des immerwährenden Erinnerns, aber auch ein Ausklingen und Erblinden ins Nichts des immerwährenden Vergessens.
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3. Satz Fülle des Seins
ein „Entweder - Oder“ sondern ein „Sowohl als auch“ ist das Maß der Fülle. Sowohl Materie als auch Geist ist in allem Sein. Sie fallen zusammen im reinen, ewigen Licht und verschwinden doch nicht im Nichts, lösen sich nicht auf in der Unendlichkeit, sondern werden ein Anderes. Der Stern bildet aus unendlich vielen Elementen, Innen und Außen, sowohl den Kreis des Anfangs als auch des Endes, sowohl die unentfaltete als auch die entfaltete Einheit. Die Zwölf mit sich selbst vervielfältigt wird damit zum Symbol der Unendlichkeit, zum Kristall, der mit seinen unendlich vielen Ecken funkelt im reinen Licht spiegelt. In ihm spiegeln sich die unendlichen Möglichkeiten wider und unzählige Punkte lassen Raum und Zeit verschwinden. Die Gestalten, sie brauchen keine Orientierung mehr, denn sie ist ihnen in der einen Gestalt der Fülle gegeben. Dann kann keine Bewegung, die aus den Dualitäten geboren wurde, dem schattenlosen Geheimnis ein noch so Winziges hinzufügen. Die Zeit wird regiert vom Tod. Doch schon im Dasein kreuzen sich Tod und Leben, Zeit und Ewigkeit, bis sich alles Kreuzen, in der Gestalt nach und vor der Zeit, in der Einheit des Kreises erschöpft und vollendet. Wenn sich das Dazwischen-sein weitet, sich die Leere zwischen den Formen füllt, werden die Bilder des Seins entschlüsselt und alle Töne und Laute in der Stille hinein genommen. Frage und Antwort treffen und versöhnen sich im Schweigen. Der Atem findet seine Ruhe, wird mit Allem in der und durch die Mitte gebunden, so daß sich in der Fülle gleicht, was sich im Weg unterschied. Was allein kann dem Gegebenen das Sein wieder nehmen, was allein die Möglichkeiten aufheben in eine letzte Notwendigkeit hinein, was allein den Raum und Zeit in ein Anderes wandeln, was allein das Ende mit dem Anfang verbinden, als ein unsagbare Geheimnis, das uns das Sein und uns im Sein diese Hoffnung gab? Ich bin, der ich bin, ich bin, der ich sein werde, und ich werde der sein, der ich im Sein werde. Sind diese Worte auch dem Dasein entsprungen, sind sie uns doch zugerufen von der Grenze des unausdenklichen Geheimnisses her. Dort wird dieses Verlöschen im erfüllten Schweigen der Allfalt zur Geburt des Lichts im Licht des Lichts.
Epilog UNENDLICH
ichtzahl Unendlich, sie bleibt für uns im Sein ans Endliche gebunden, will mehr sagen als möglich ist, will zu viel erdenken, will zu viel empfinden, will überschreiten und scheitert. Deshalb zerschlagen wir das Gerüst, nein, auch das ist zu wenig, überlassen wir das Unendliche dem maßlosen Maß, überlassen wir morgen und gestern, das Sein und das Nichts, dem im Kommenden immer schon Dagewesenen. Im Dasein aber ist für uns immer wieder ein Heute, ein neuer Anfang möglich, ein Anfang, der die Gestalt im Ende mit zu prägen vermag. Deshalb verliere nicht den Mut im Suchen immer neuen Gestalten, denn die Frage des Anfangs -„Warum ist Etwas und nicht vielmehr Nichts?“-, bleibt zwar auch am Ende unseres Fragen ein Geheimnis, aber zwischen der Eins und der Zwölf wurde uns geschenkt, das Geheimnis um ein Winziges zu öffnen, zu öffnen nicht als gewusste Wirklichkeit, aber doch als erahnte, erhoffte Möglichkeit. So sind wir, und alles, sowohl vom Anfang als auch vom Ende bedingt. So sind wir gehalten in der Ewigkeit. Im Durchlässigwerden zum Geheimnis hin und von ihm her, in seinem Erspüren, Erleben und Erkennen in allem Sein, wird alles Wirkliche wirklicher, denn das Unsagbare wirkt, wird alles Werden, durch das Werden in neuem Werden erfüllt, wird das Geheimnis auch zu mir hin geöffnet. Ich staune über das Wunder des Seins, das sich mir öffnet, um von mir angenommen zu werden. Ich lass es an mir geschehen, lass es mich sehen und hören, mich fühlen und denken. Ich bewege das Sein durch die Wandlung meiner selbst. Was ist wird dann auch in mir Ganz. Der Kreis beginnt sich zu schließen, die Grundstruktur ist einmal durchlaufen. Ich kehre zum Anfang, zum Alpha zurück und beginne meine Symphonien aufs Neue zu komponieren, mein Suchen des Ganzen im Dasein. Ich nutze die Struktur der 144 Motive in den 12 Seinsebenen, nehme sie immer wieder auf, durchdringe sie horizontal, vertikal und in allen anderen Richtungen, so dass sich mir das Geheimnis weiter entfalten, erweitern und zum Ganzen, zum großen Kristall, öffnen kann.
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GENESIS – atomica primoprimaria Vor Milliarden Jahren, als es mangels Sonne und Erde noch keine Jahre gab, zur Zeit, als noch keine Zeit war, da geschah es eines Tages, als es weder Tag noch Nacht gab, da habe es plötzlich einen Knall gegeben - den "Urknall" Wenn nun das Nichts nicht knallen kann, muß das Knallende wohl ein Es, ein irgendwie Etwas, ein Seiendes, auf griechisch ein ON gewesen sein, das auf einmal, wenn nicht schon von uran da war: das UR-ON Im Anfang war das Ur-on, und das All war im Ur-On, und aus dem Ur-On ist alles geworden Und da waren, ob auf einmal, ob von uran, die "kleinsten Teilchen", Und die Teilchen "liebten" einanderund sehnten sich nach Unteilbarem,und sie schlossen sich innig zusammenund machten einen "Kern", und der Kern hüllte sich in Mäntel (Neutron, Elektron). Und so geschah es, daß das ATOMON war. Viele Atomen entstanden:H, O, Na, C, Cl, N, S Und auch die Atome "liebten" einanderund koppelten sich eifrig: O nahm 2H an, und da ward das Wasser, Na nahm Cl, und ward das Salz: Die Moleküle entstanden, Milliarden Moleküle. Auch die Moleküle "liebten" einanderund schlossen sich zu seltsamen Gesellschaften zusammen. Und als sich ein paar Dutzende rlesener Molekülgesellschaften vereinigt hatten, entsprang ihnen plötzlich - das LEBEN Leben in Millionen Gestalten . . . . . . .und in allen wie von uran waltend - die LIEBE Was ist es - dieses Zusammenziehende, dieses Gestalten Erfindende und Erschaffende? Und was ist all der Sinn? Ob nicht hinterm Thron des Kobolds, dem Menschenhirngespinst, das verborgene Antlitz des Ursprungs lächeltund murmelt - den SINN? Fridolin Stier16.11.1971
Teilhard de Chardin (1881-1955) Weiteres zu Teilhard de Chardin auf: http://www.theodor- frey.de/teilhardverzeichnis.htm ist ein Visionär der Einheit, der Einheit des Universums von seinem Anfang an bis zu seinem Ende, der Einheit des Einzelnen mit dem Ganzen, der Einheit von Materie und Geist, der Einheit von Wissenschaft und Glauben, der Einheit des immanenten Weltgeschehens mit dem transzendenten Gott. Die Einheit ist aber immer ein evolutiver Prozess, ist Dynamik und Aufgabe. Wenn mit dem Menschen Geist, Selbstbewusstsein, reflektierendes Denken, Freiheit auftreten konnten, dann müssen - so Teilhard- diese Phänomene dem Evolutionsgeschehen von Anfang an, wenn auch in noch so rudimentärer Form, inngewohnt haben. In den Beziehungen und Bewegungen der Elemente entstanden und entstehen weiterhin immer komplexere Gestalten bis hin zum Menschen (und darüber hinaus?). „Im Bereich unserer Beobachtung repräsentiert der reflektierende Mensch den erhabensten elementaren Zielpunkt dieser Bewegung der Anordnung“. Teilhard de Chardin, Die menschliche Energie, S. 338 Karl Rahner (1904-1984) bezieht sich in seinem Essay „Christologie innerhalb einer evolutiven Weltanschauung“ auf Teilhard de Chardin. Auch er spricht der Materie eine „aktive Selbsttranszendenz“ zu aus der „Kraft der absoluten Seinsfülle“, d.h. Gottes, die als „Wesensselbsttranszendenz“ die Entwicklung über die Stufen „Materie, Leben, Bewusstsein, Geist“ einschließe.