SEITEN VON THEODOR FREY
WER DIE POSAUNE DER TRÜBSAL BLÄST, ÜBERHÖRT DIE KLEINE FLÖTE DER FREUDE. Johannes Bosco
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"Es ist die Musik, die es uns erlaubt, zur gleichen Zeit unterschiedliche Gedanken und Gefühle zu haben. Nie weint oder lächelt sie nur, stets macht sie beides zugleich möglich. Sie ist ein simultanes Gespräch zwischen scheinbaren Gegensätzen, die friedlich nebeneinander existieren, im dauerhaften Dialog." Daniel Barenboim - In der ZEIT . Nr. 51/2016 "Mozart direkt können Sie nicht hören, niemals. Sie hören, wie Gilels diese Musik interpretiert hat. Das heißt: auch nicht ganz, denn Sie hören nur, was Sie davon verstehen können. Ein komplizierter Vorgang." Grigory Sokolov - Interview in der ZEIT . Nr. 3/2016 "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum." Nietzsche - Götzen-Dämmerung, Sprüche und Pfeile, 33 "Die Wahrheit ist hässlich: wir haben die Kunst, damit wir nicht an der Wahrheit zugrunde gehen." Nietzsche - Nachgelassene Fragmente 1887-1889, 16(49) "Musik ist eine erhabene Kunst! Nur unwillig dient sie dem Trug des Theaters. Nicht Trug! Die Bühne enthüllt uns das Geheimnis der Wirklichkeit. Wie in einem Zauberspiegel gewahren wir uns selbst. Das Theater ist das ergreifende Sinnbild des Lebens." Capriccio - IX. Szene "Da spielen sie heute vormittag im Radio das Konzert für zwei Violinen von Bach. .. . . Nichts verändert sich im Zimmer, nicht einmal die Beleuchtung. Und solange die Musik da ist, spüre ich, daß trotz manchem Scheußlichen die Welt in Wahrheit zutiefst in Ordnung ist; ich will ein besserer Mensch werden, und es macht mir auch nichts mehr aus, daß ich sterben muß. Und dafür reichen Worte nicht aus.“ Isabella Nadolny - Seehamer Tagebuch
SPIELORTE
„Was bedeutet eine Symphonie von Mozart? Um das zu beantworten, muß man damit beginnen, sie zu hören und wieder zu hören, ihre Bedeutungsfülle verstehend in sich aufzunehmen; erst dann wird es möglich sein, darüber zu reden, und zwar nur mit solchen, die durch das Tonbild die gleiche Fülle auf sich eindringen ließen. Vielleicht wird man ein Bedürfnis verspüren, ihren Sinngehalt in Worten zu umschreiben, aber man weiß dabei, daß dieser Versuch mehr ein Spiel als ein Ernst ist, und daß eine endgültige Umsetzung in Begriffe wesenhaft unmöglich bleibt. Ja, diese Begriffe werden für den, der den Ausdruck unmittelbar verstanden hat, nur wie hilflose Zeichen erscheinen, wie Plattheiten, verglichen mit der unvergleichlichen Einmaligkeit des Kunstwerks. Begriffe passen ja immer auch auf andere Dinge, hier aber hat sich ein Ding in seiner unverwechselbaren, singulären Bedeutung offenbart. Tausend Eigenschaftsworte werden dem, der die Ouvertüre zum Don Juan nicht gehört hat, nie den leisesten Begriff davon vermitteln. Sie ist bis in den letzten Sechzehntel hinein mit Geist geladen, sie sprüht von Sinn und Bedeutung und sie verbirgt ihn nicht hinter den Tönen, sie drückt alles aus, was ausgedrückt werden konnte. Und dennoch: wer wollte aussprechen, was sie nun wirklich bedeutet? Vielleicht wäre es leichter zu sagen, wenn sie nicht so vollkommen wäre.“ Hans Urs von Balthasar - Theologik I. Wahrheit der Welt - S. 154
Blumendekoration bei der Aufführung von Beethovens "Missa Solemnis" mit Kirill Petrenko
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ZEITGENÖSSISCHES
MAURO LANZA (*1975) - Der Kampf zwischen Karneval und Fasten Münchner Kammerorchester 21.2. 2019
ZEIT   GENÖSS   ISCHES
KLAUS SPERBER alias KLAUS NOMI Klaus Sperber wurde am 24. Januar 1944 in Immenstadt geboren. Nniemand wollte seine Falsettstimme zum Countertenor ausbilden. So bildete er seine Stimmlage autodidaktisch weiter. Ein Engagement als Sänger erhielt er nicht. 1973 geht er mit seinem Freund nach New York. Der unbedingte Wille zum Singen und sein Talent machen ihn durch Auftritte schließlich zum Star in Underground-Bars. Klaus Sperber nennt sich jetzt Klaus Nomi. David Bowie wird auf ihn aufmerksam und verhilft ihm zu einem Plattenvertrag. Er geht auf Tournee und wird als Vertreter der sogenannten "New Wave Szene" gefeiert. Er starb am 6. August 1983 im Alter von 39 Jahren in einem New Yorker Krankenhaus an Aids.
ZU FRÜH GEBOREN!
HK GRUBER (*1943) ›Frankenstein!!‹ ›allerleirausch, neue schöne kinderreime‹, heißt der Gedichtband des Wiener Lyrikers H. C. Artmann, dem HK Gruber die Texte für sein immens erfolgreiches Pandämonium ›Frankenstein!!‹ (1976/77) entnahm. Artmanns entlarvender Blick auf das Profane, auf Pop und Trash findet seine Entsprechung in der ›ständigen Verfremdung des konventionellen Orchesterklanges durch den Griff in einen Schrank voller Spielzeuginstrumente‹, schreibt der Komponist. Und weiter: ›Mein Ziel war, analog der Artmannschen Schreibweise eine breite Palette alter sowie neuer und populärer musikalischer Idiome gezielt zu verarbeiten.‹
Beethoven Missa Solemnis
Während der Kompositionsarbeit an seiner Missa solemnis (1820) stand Ludwig van Beethoven in Verbindung mit Johann Michael Sailer. Die Widmungsinschrift »Von Herzen – Möge es wieder – zu Herzen gehen« findet sich in dem in der Berliner Staatsbibliothek verwahrten Autograph. Martin Geck weist darauf hin, dass Beethoven die Stelle offensichtlich aus Sailers Übertragung der „Nachfolge Christi“ übernommen hat. Dort heißt es: „Dies ist der unverkennbare Charakter dieses Buches: es ging aus dem Herzen hervor und will wieder zu Herzen gehen.“ Angesichts dieser Übereinstimmung wird Sailer zu einer zentralen Figur in der inneren Welt Beethovens. Martin Geck - Beethoven - S. 151 Beethoven selbst bezeichnete sie in seinen letzten Lebensjahren als sein gelungenstes Werk. Sein Kommentar zum Agnus dei: „Bitte um innern und äußern Frieden“ und die Vortragsbezeichnung: „ängstlich“. Gehört am 17.2.2019 im Nationaltheater in München - Dirigent Kirill Petrenko
Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur („Emperor“)
Beethovens 5. Klavierkonzert, 1809 in Wien komponiert, entsteht inmitten der Belagerung Wiens durch Napoleon und ist, ungeachtet seines englischen Beinamens, dem Erzherzog Rudolph gewidmet. Der ganze Tonfall des Konzerts steht in entschiedenem Widerspruch zu den Umständen seiner Entstehung: Welch zerstörendes, wüstes Leben um mich her! Nichts als Trommeln, Kanonen, Menschenelend in aller Art", schreibt Beethoven an seinen Verleger Breitkopf. Und doch wählt er als Grundtonart das festliche Es-Dur, die gleiche Tonart, in der auch seine 3. Sinfonie, die ursprünglich Napoleon gewidmete „Eroica", steht. Heute wird Beethovens bahnbrechendes Werk als Umbruch vom klassischen zum romantischen Solokonzert gedeutet, in dem Solisten und Orchester nicht mehr im eigentlichen „concertare"-Sinne als Antagonisten auftreten, sondern sich vielmehr in einem emanzipierten Dialog zusammenfügen, gegenseitig unterstützen und eine gemeinsame Aussage treffen. Gehört am 14.2.2019 in der Allerheiligenhofkirche mit dem Münchener Kammerorchester und Igor Levit als Solist
Beethoven 
Beethoven Kammermusik Duo mit zwei obligaten Augengläsern für Viola und Violoncello Es-Dur WoO 32 Beethovens Humor, eine zumeist unterschätzte Facette seiner Persönlichkeit, trug mitunter kuriose musikalische Früchte. Das Duett wurde erst Ende des 19. Jhr. unter diesem Titel in einem Skizzenband des Meisters aufgefunden. „Der Humor ist das größte Gnadengeschenk der göttlichen Welt an den bedrängten Menschen“ E.T.A. Hoffmann Streichtrio Nr. 1 Es-Dur op. 3 Streichquartett Nr. 7 F-Dur op. 59 Nr. 1 Rasumowsky-Quartett (1806)
Beethoven Symphonien
8. Symphonie Gehört am 21.2.2019 im Prinzregententheater mit dem Münchener Kammerorchester davor 2018 in Wien mit dem Cleveland Orchester unter Welser-Möst im großen Musikvereinssaal zusammen mit der 5. Symphonie und der Overtüre zu „Coriolan“.
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) Ouvertüre zu „La nozze di Figaro" KV 492 La nozze di Figaro, eine der großen da Ponte-Opern, gehört heute nicht ohne Grund zu den beliebtesten und meistaufgeführten Bühnenwerken. Wie so oft bei Mozart, spielt die Handlung vor dem Hintergrund der Ablösung absolutistischer Adelsgesellschaft durch das bürgerliche Zeitalter. Weder vorher noch nachher ist der natürliche, unbändige Lebenstrieb nach seiner heiteren, daseinsfrohen Seite so unmittelbar in Töne umgesetzt worden wie hier", schrieb der Musikhistoriker Hermann Abert zur Ouvertüre des Verwirrspiels, dessen Inhalt eindeutig durch die Zeit des aufgeklärten Absolutismus in Wien beeinflusst ist. Gehört am 14.2.2019 in der Allerheiligenhofkirche mit dem Münchener Kammerorchester
Bohuslav Martinů (1890-1959) Sinfonietta La Jolla" op. H328 In Prag ausgebildet, zog Bohuslav Martinö 1923 wegen der größeren künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten nach Paris und emigrierte 1940 '"von dort in die USA. So schlagen zeit seines Lebens nicht nur zwei, sondern sogar drei Herzen in Martinus Brust. 1948 trat die „Musical Arts Society" aus La Jolla, Kalifornien mit der Bitte um ein leichtes, unterhaltsames und heiteres Stück an ihn heran. Die so entstandene Sinfonietta „La Jolla" für Kammerorchester vereint auf höchst anregende Weise die Klänge seiner böhmischen Heimat, Einflüsse des französischen Impressionismus und des amerikanischen Jazz. Gehört am 14.2.2019 in der Allerheiligenhofkirche mit dem Münchener Kammerorchester - Eine Entdeckung zum Nachhören!
Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) Konzert für Klavier, Trompete und Streicher Nr. 1 c-Moll (1933) „Humor, als das umgekehrt Erhabene, vernichtet nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee.“ Jean Paul „Das Wort satirisch verstehe ich durchaus nicht im Sinne von lächerlich, spöttisch. Im Gegenteil: Ich habe mich stets bemüht eine entlarvende Satire zu schaffen, die Masken herunterreißt und dazu zwingt, die ganze schreckliche Willkür und das Beleidigende in der Welt zu hassen.“ Dmitri Schostakowitsch Gehört am 21. 2.2019 im Prinzregententheater mit dem Münchener Kammerorchester unter Clemens Schuldt mit den Solisten Lisa de la Salle (Klavier) und Rüdiger Kurz (Trompete) - Eine Entdeckung zum Nachhören!
ZAUBERFLÖTE
Benjamin Britten Peter Grimes. Four sea interludes, op. 33a Edward Elgar Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll, op. 85 Ralph Vaughan Williams Symphonie Nr. 4 f-Moll Gehört am 1. 3. 2019 mit: Cristian Măcelaru, Dirigent, Alban Gerhardt, Violoncello Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
CHARLES IVES ›A set of Pieces for Theatre Orchestra‹ HK GRUBER ›Frankenstein!!‹ ›allerleirausch, neue schöne kinderreime‹, heißt der Gedichtband des Wiener Lyrikers H. C. Artmann, dem HK Gruber die Texte für sein immens erfolgreiches Pandämonium ›Frankenstein!!‹ (1976/77) entnahm. Artmanns entlarvender Blick auf das Profane, auf Pop und Trash findet seine Entsprechung in der ›ständigen Verfremdung des konventionellen Orchesterklanges durch den Griff in einen Schrank voller Spielzeuginstrumente‹, schreibt der Komponist. Und weiter: ›Mein Ziel war, analog der Artmannschen Schreibweise eine breite Palette alter sowie neuer und populärer musikalischer Idiome gezielt zu verarbeiten.‹ LOUISE FARRENC Symphonie Nr. 3 g-Moll Die 1847 vollendete g-Moll-Symphonie der Französin Louise Farrenc (1804-1875), die der junge Brite Duncan Ward für sein Debüt beim Münchener Kammerorchester ausgewählt hat, gehört zu jenen Entdeckungen, bei denen man sich fragt, warum sie einem so lange verborgen blieben.
Dimitri Schostakowitsch (1906-1975) 5. Symphonie d-Moll (1937) Dmitri Schostakowitsch Gehört am 26 3. 2019 in der Philharmonie mit den Münchener Philharmoniker und Valery Gergiev
Pjotr Iljitsch Tschaikowski (1840-1893) 1. Klavierkonzert op. 23 b-Moll (1874) Gehört am 26 3. 2019 in der Philharmonie mit den Münchener Philharmoniker und Valery Gergiev Solist: Rudolf Buchbinder
Fjodor Dostojewski (1821-1881)
Dostojewskij hat in den frühkommunistischen Zirkeln verkehrt, ist mit vielen andern verurteilt und in grimmiger Kälte zur Richtstätte geführt worden, um füsiliert zu werden, er hat den sichern Tod erwartet und vorweg durchlebt, dafür das «Totenhaus » Sibirien eingetauscht, wo er ins nackte Christliche hineingedemütigt wurde; nach der Heimkehr erscheinen die drei weltanschaulichen Romane « Der Idiot»‚ « Die Dämonen »‚ « Die Brüder Karamasoff»; « Der Idiot >‚ Lieblingsbuch und Schmerzenskind des Verfassers, enthält alles folgende im Kern. Hans Urs von Balthasar - Herrlichkeit - S. 557 Gesehen als Schauspiel im Residenztheater in einer Inszenierung von Andreas Kriegenburg
ELEKTRA Hugo von Hofmannsthal (1874-1929)
Elektra 1901- 1903 „Ich habe mich lebenslang mit dem was man «Zeit« nennt herumgeschlagen, und möchte nicht sterben, ohne diesem Gegner, der etwas schlangenartig umschlingendes hat, noch mehr ins Gesicht gesehen zu haben.“ (Hofmannsthal an Josef Redlich, 8.11.1926) Wer leben und handeln will, muß ein richtiges Verhältnis zur Zeit haben, muß sich den Gesetzen von Sein und Werden unterstellen. Eiektras zerstörtes Zeitgefühl bezeichnet eindringlich, wie sehr ihr Lebensrhythmus gestört ist, wie sehr sie die Wirklichkeit verloren hat. Was in der Gegenwart geschieht, entzieht sich dem Auge oder verwandelt sich unter ihrem Blick in Vergangenes. Gesehen als Schauspiel im Residenztheater in einer Inszenierung von Regie & Bühne Ulrich Rasche Komposition + Musikalische Leitung Monika Roscher
Katja Bürkle Elektra Juliane Köhler Klytämnestra Thomas Lettow Orest Lilith Häßle Chrysothemis
Faust I (veröff. 1808) Gesehen als Schauspiel im Residenztheater in einer Inszenierung von Martin Kušej Bühne Aleksandar Denić - Dramaturgische Mitarbeit Albert Ostermaier Werner Wölbern Faust Bibiana Beglau Mephisto Andrea Wenzl Margarete
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)  ???
brutal - extrem - zerrissen
SCHÜLER Ich wünschte recht gelehrt zu werden, Und möchte gern, was auf der Erden Und in dem Himmel ist, erfassen, Die Wissenschaft und die Natur. MEPHISTOPHELES. Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, Doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen. Mein teurer Freund, ich rat' Euch drum Zuerst Collegium Logicum. Da wird der Geist Euch wohl dressiert, In spanische Stiefeln eingeschnürt, Daß er bedächtiger so fortan Hinschleiche die Gedankenbahn, Und nicht etwa, die Kreuz und Quer, Irrlichteliere hin und her. Zwar ist's mit der Gedankenfabrik Wie mit einem Weber-Meisterstück, Wo ein Tritt tausend Fäden regt, Die Schifflein herüber hinüber schießen, Die Fäden ungesehen fließen, Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt: Der Philosoph, der tritt herein Und beweist Euch, es müßt' so sein: Das Erst' wär' so, das Zweite so, Und drum das Dritt' und Vierte so, Und wenn das Erst' und Zweit' nicht wär', Das Dritt' und Viert' wär' nimmermehr. Das preisen die Schüler aller Orten, Sind aber keine Weber geworden. Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraus zu treiben, Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt leider! nur das geistige Band.
Nachher, vor allen andern Sachen, Müßt Ihr Euch an die Metaphysik machen! Da seht, daß Ihr tiefsinnig faßt, Was in des Menschen Hirn nicht paßt; SCHÜLER. Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen! Ich denke mir, wie viel es nützt; Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, Kann man getrost nach Hause tragen. MEPHISTOPHELES. Im ganzen – haltet Euch an Worte! Dann geht Ihr durch die sichre Pforte Zum Tempel der Gewißheit ein. SCHÜLER. Doch ein Begriff muß bei dem Worte sein. MEPHISTOPHELES. Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen; Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Mit Worten läßt sich trefflich streiten, Mit Worten ein System bereiten, An Worte läßt sich trefflich glauben, Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben.
ROBERTO DEVEREUX mit Edita Gruberova im Jahr 2004 bis zum letzen Auftritt am 27.3.2019 „Non vivo“: Endlich spuckt die alternde Herrscherin diese zwei Worte heraus. . . Die vier Buchstaben des „vivo“ splittern in alle Richtungen auf der Riesenbühne des Münchner Nationaltheaters. Sie reißen Wunden in die Seelen der atemlos staunenden und gebannt lauschenden Zuhörer. Dieses „Ich lebe nicht“ wird zum Fanal, zum Schlüsselmoment des ganzen Abends. In dieser Sekunde hat jeder begriffen, warum gerade diese der 74 Donizetti-Opern hier und heute unbedingt gespielt werden muss: „Roberto Devereux“, 1837 erstmals in Napoli aufgeführt und betitelt nach dem historischen Favoriten Elizabeths I. von England, den sie nach einem Hochverratsprozess 1601 hinrichten ließ. Edita Gruberova streift die Perücke ab, mit der sie als Elizabeth I. drei Akte lang ihrem Roberto und der ganzen Welt gefallen wollte. Nun steht sie als fast gebrechliche, schütter weißhaarige Frau vor uns, die sich zutiefst verzweifelt in jenen Wahnsinn stürzt, der auch andere Donizetti-Heroinen heimsucht. Da steht in dieser so schonungslosen wie ergreifenden Abschiedsszene eine der heute selten gewordenen Sängerinnen, die nur via Gesangskunst den Triumph des Geistes über den Körper zelebriert und ihr Publikum in die finale, bekannt unheilbare Melomanie treibt. Der Königin Abschied von Macht und Leben, er wirkt am Premierenabend – unausgesprochen – fast wie ein sich andeutender Abschied der Gruberova von der Bühne. . . . Die Gruberova weiß um die betörende Wirkung einer messa di voce: Ein Hochton wird leise angesetzt, schwillt an, verflüchtigt sich wiederum Leisen. So banal die Beschreibung, so wenig solch ein Ton kompositorisch hergibt . . . – in solch einem Moment erringt eine Sängerin Macht übers vegetative Nervensystem ihrer Hörer und macht sie zu Hörigen. Wenn sie leise, aber überall im Riesenraum deutlich vernehmbar eine Phrase an der Talsohle der Melodie abfängt, wenn sie einen Oktavlauf wie eine Leuchtrakete in die Höhen hinaufzischt, sich dort in einem Triller fangen lässt und in immer wieder hochgebogenen Schleifen zurück in die Tiefe sinkt, dann weiß das Publikum nicht mehr ein noch aus und tobt sich die unbändig empfundene Lust aus der Seele. Denn die Gruberova singt diese Bravourstücke nie als solche, sondern nützt sie für das diffizil gestaltete Psychogramm einer alternden Powerfrau, der der Lover, die beste Freundin, der verlässlichste Berater und damit der Sinn des Lebens schlagartig abhanden kommen. Drei Szenen genügen dafür. Erst erinnert sie sich der glücklichen Tage mit Roberto, dann wird ihr klar, verlassen und verraten zu sein. Sie schreitet zur Rache und hofft doch bis zuletzt auf ein Einlenken des Geliebten. Vergebens. Der Rest ist schwärzeste Verzweiflung. ... Erst im Finale trägt sie eine Abendrobe aus schwarzen Samt - zur Hinrichtung Robertos und dem Abschied von Krone und Leben. Dann zieht sich die Gruberova langsam die Perücke vom Kopf und bricht zusammen. Erschütterndes Finale eines selten spannenden Opernabends, dessen Qualität sich nicht zuletzt Friedrich Haider am Pult des höchst geschmeidig spielenden Staatsorchesters verdankt und dem diffizil singenden und spielenden Chor der Staatsoper. Stehende Ovationen. KLAUS KALCHSCHMID Quelle: Süddeutsche Zeitung, 15. Juli 2004
OPER
Besetzung am 27. 3. 2019 Musikalische Leitung Friedrich Haider Inszenierung Christof Loy Elisabetta Edita Gruberova Herzog von Nottingham Vito Priante Sara Silvia Tro Santafé Roberto Devereux Charles Castronovo
Gala Edita Gruberova am 3. Juli 2018 im Nationaltheater W.A. Mozart, Die Entführung aus dem Serail (Ouvertüre, „Welcher Wechsel herrscht in meiner Seele" -„Traurigkeit ward mit zum Lose", Rezitativ und Arie der Konstanze); Don Giovanni (Ouvertüre, „Crudele? Ah no giammai mio ben", „Non mi dir", Rezitativ und Arie der Donna Anna); Idomeneo (Ouvertüre, „Oh smania, oh furie", „D'Oreste, d'Ajace", Rezitativ und Arie der Elettra) G. Verdi,La traviata (Vorspiel zum 3. Akt, „Teneste la promessa", „Addio del passato",„Parigi, o cara, noi lasceremo", ‚Gran Dio! Morir si giovine", „Se una pudica vergine", „E strano" V. Bellini, Ouvertüre zu Norma, „Ah! Non credea mirati", Arie der Amina aus La sonnambula Marco Armiliato, Musikalische Leitung „Begleitet vom juvenil frischen Stabführer Marco Armiliato schenkt Gruberova ihrem Publikum noch einmal einen Abend voller Magie, der sich neben allerlei Gänsehautmomenten vor allem durch ein breit gefächertes Programm auszeichnet, in dem Gruberovas Stärken voll und ganz zum Tragen kommen sollten. In einem regelrecht furiosen Mozartblock zu Beginn, in dem Gruberova vor allem in der Arie der Konstanze („Entführung aus dem Serail") zu überzeugen wusste, wurde auch dem skeptischsten Besucher schnell vor Augen geführt, wieso diese Frau über Jahre hinweg als vielleicht beste Mozartinterpretin dieser Welt galt. Geschickt von Motiv zu Motiv dahinschwingend gibt sich Gruberova als Architektin einer beeindruckenden Landschaft - von der Schlichtheit und der Konstruktionskomplexität der Wiener Klassik geprägt.“ Raphael Eckardt
1974 hatte Gruberova die erste "Königin der Nacht" in München gesungen. Ansonsten 33 Mal Lucia di Lammermoor, 28 Mal Lucrezia Borgia, 37 Mal Anna Bolena, 26 Mal Elvira in "I Puritani", 28 Mal Norma, 28 Mal Rosina in "Il barbiere di Siviglia". An diesem Abend nun ihre letzte "Elisabetta" in mitreißendem Team mit Charles Castronovo als Roberto, Silvia Tro Santafé als Sara und mit Gruberovas musikalischem Lebensbegleiter Friedrich Haider am Pult.