KARL JASPERS
DAS UMGREIFENDE
Das Umgreifende spaltet sich - sobald ich es in seinem Gehalt zu erhellen trachte -, in die Weisen des Umgreifenden. Statt daß uns ein einziges Unsagbares die unbestimmte und unerfüllte Grenze bleibt, gliedert sich das Umgreifende gleichsam in Räume.
Das Umgreifende, das das Sein selbst ist: WELT - TRANSZENDENZ
Das Umgreifende, das wir sind: DASEIN - BEWUßTSEIN - GEIST
Der Boden und das Band der Weisen des Umgreifenden: EXISTENZ - VERNUNFT
GEDANKENSCHRITTE ZUR ERHELLUNG DES UMGREIFENDEN
I. Vorläufiger Entwurf der Gliederung des Umgreifenden S.47-52
Die Welt ist das Umgreifende, in dem und aus dem alles Weltsein als je besondere Gegenständlichkeit uns entgegentritt. Alles was wir erkennen können, ist in der Welt, ist niemals die Welt. Alles Welterkennen steht für uns unter der Bedingung unseres denkenden Bewußtseins. Alles „Sein für uns“ ist Erscheinung des „Seins an sich“ in der Gestalt, wie es sich unserem Bewußtsein überhaupt darstellt.
WELT - Bewußtsein (überhaupt)
Bewußtsein (das Meine) - DASEIN
Ich bin als Dasein , von dem mein Bewußtsein getragen wird. Als Wirklichkeit erfassen wir uns nur dann, wenn wir den Schritt vom bloßen Bewußtsein zum wirklichen Dasein vollziehen, zu dem Dasein, das Anfang und Ende hat, sich in seiner Umwelt müht und kämpft oder ermüdet und nachgibt, genießt und leidet, Angst hat und Hoffnung.
GEIST
In den ideellen Totalitäten [ des Geistes ] kann alles vom Bewußtsein Gedachte und als Dasein Wirkliche aufgenommen werden zur in sich kreisenden und sich durchdringenden Bewegung , durch welche der Bau geschlossener Welten - z.B. der Gemeinschaft, des Werkes, der Berufe - erwächst.
IMMANENZ TRANSZENDENZ
Das Gegenwärtige umfasst das, was ich bin, -Dasein, Bewußtsein überhaupt, Geist - und das, was mir Gegenstand wird - Weltsein. Ist diese Immanenz sich genug und außer ihr nur Nichts oder weist sie auf anderes?
Durch alle geschichtlichen Zeiten haben Menschen den Sprung vollzogen aus der Immanenz über sie hinaus: die Immanzenz tut ihnen nicht Genüge; sie wurden sich der Verlorenheit in ihr bewußt; sie erkannten, daß die Immananz nicht aus sich besteht und nicht aus sich begriffen werden kann. So taten sie den transzendierenden Sprung, und zwar in einem: von der Welt zur Gottheit und von dem Dasein des bewußten Geistes zur Existenz. Existenz ist das Selbstsein, da sich zu sich selbst und darin zu der Transzendenz verhält, durch die es sich geschenkt weiß, und auf die es sich gründet.
DAS VIELFACHE DER ERSCHEINUNGEN DES UMGREIFENDEN
Es ist möglich, im Vielerlei sich zu bewegen, es nebeneinander hergehen, Fremdes sich nicht angehen zu lassen, in der Zerstreutheit fraglos zu leben. Aber in der Erfahrung des Ungenügens der Zerstreutheit ist ein entscheidender Sprung möglich und, wenn bewußt geworden, notwendig: wenn ich keine Ruhe habe im Nebeneinander, wenn der Antrieb unstillbar wird, alles mit allem in Bezug zu erfahren, die Einheit zu erfassen und zu bewirken. Dieser Sprung führt zur Vernunft. Sie will und ist das Band aller Weisen des Umgreifenden und aller Erscheinungen in ihnen. Aber wenn hier eine stille Unablässigkeit aus eigenemUrsprung bereit ist, so wird doch erst aus der lebendigen Existenz diese Vernunft in mir als das Umgreifende in Bewegung gebracht, das allaufgeschlossen alles mit allem verbinden möchte.